Claudia Coulin

Bewegung in den Iliosakralgelenken

Die Behandlung der Iliosakralgelenke (ISG) ist eine grundlegende therapeutische Massnahme in der Therapie mit Akupunkturmassage nach Radloff.

Anatomische Betrachtung

Die Iliosakralgelenke sind Teil des Beckengürtels und haben eine wichtige Funktion bei der Stabilisierung und Bewegung des Beckens sowie der unteren Wirbelsäule. Das Becken besteht aus drei Knochen. Links und rechts befindet sich die beiden Beckenschaufeln, die vorne über die Schambeinfuge miteinander verbunden sind. Hinten sitzt das Kreuzbein mit dem Steissbein, ein plattiger Knochen, der zu beiden Seiten über die Iliosakralgelenke mit den Beckenschaufeln verbunden ist und nach oben mit dem untersten Wirbel der Lendenwirbelsäule.

Die Iliosakralgelenke sind strukturell so aufgebaut, dass sie Bewegungen ermöglichen, aber gleichzeitig eine hohe Stabilität gewährleisten. Die Gelenkflächen sind mit hyalinem Knorpel bedeckt und durch ein starkes Netz aus Bändern und Muskeln umgeben, die das Gelenk stabilisieren.

Die Wirbelsäule umfasst 24 Wirbel: 5 Lendenwirbel, 12 Brustwirbel und 7 Halswirbel. Die einzelnen Wirbel sind voneinander getrennt durch Bandscheiben und verbunden über ausgeklügelte Bandstrukturen. Durch viele kleine und grössere Muskeln wird die Bewegung der Wirbel zueinander ausgeführt. In der Wirbelsäule verlaufen die Nervenbahnen des Rückenmarks. Jeweils zwischen zwei Wirbeln treten zu beiden Seiten Nerven aus, die sogenannten Spinalnerven. Diese versorgen alle Zellen mit elektrischen Impulsen aus dem Gehirn und umgekehrt werden gesammelte Informationen aus der Peripherie ans Gehirn geleitet.

Funktionelle Betrachtung

Die beiden Iliosakralgelenke werden gebildet durch die eher bewegungsarme Verbindung zwischen der linken und der rechten Beckenschaufel (Os ilium) und dem Kreuzbein (Os sakrum). Der bedingt bewegliche Gegenpol bildet die Schambeinfuge (Symphyse), die vordere Verbindung der beiden Beckenschaufeln beim Schambein. Das Bewegungsausmass dieser Gelenke ist im Vergleich zu peripheren Gelenken (wie Hüft- oder Fingergelenke) gering. Ein Grund, wieso die Wichtigkeit deren Mobilität teilweise verkannt wird.

Wenn die Iliosakralgelenke frei beweglich sind, dann bewegen sich die beiden Beckenschaufeln bei jedem Schritt in Relation zum Kreuzbein und zueinander. Diese Bewegung ist von aussen kaum zu sehen. Wenn wir den Sitzbeinhöcker als Referenz nehmen, dann beträgt dessen Bewegung bei isolierter Mobilisation des entsprechenden ISG einige Millimeter. Trotz des bescheidenen Ausmasses ist diese Bewegung für Gesundheit und Wohlbefinden grundlegend.

Das Becken bildet das Fundament für die Wirbelsäule. Wenn die Beckengelenke physiologisch bewegen, ist ein entscheidender Faktor für die freie Beweglichkeit der gesamten Wirbelsäule erfüllt. Sind Becken und Wirbelsäule frei beweglich, dann fühlt sich der ganze Rücken belastbar und beweglich an. Längeres Sitzen bereitet keine Probleme und auch gebückte Tätigkeiten führen nicht zu übermässigen Schmerzreaktionen im Rücken. Kommt es zu einem Stolperer oder Schlag auf die Wirbelsäule, klingt die allfällige Schmerzreaktion in kurzer Zeit wieder ab.

Das Becken und die Wirbelsäule bilden eine funktionelle Einheit. Bewegt sich das frei bewegliche Becken beispielsweise bei der Gehbewegung in eine Vorschrittbewegung auf der einen Seite, dann reagiert die gesamte Wirbelsäule mit und bewegt sich geschmeidig, sodass ein runder Bewegungsablauf entsteht. Der oberste Halswirbel (der Atlas) bewegt automatisch in die gleiche Stellung wie das Becken, was zur Folge hat, dass der Kopf aufrecht und gerade bleibt.

Energetische Betrachtung

Der Mensch steht aufrecht auf der Erde und strebt dem Himmel entgegen. Durch unsere Meridiane strömt die Yinenergie der Erde nach oben und die Yangenergie des Himmels nach unten. Wir bilden eine Verbindung zwischen diesen beiden Polen und interagieren energetisch mit beiden. So kommt der Wirbelsäule und dem ungestörten Fluss der Energie ein wichtiger Stellenwert zu. Die Wirbelsäule wird auch Himmelsleiter genannt. Eine Struktur, die nach oben ausgerichtet ist, die über unsere Aufrichtigkeit entscheidet und an der wir uns orientieren und anlehnen können.

Das Becken, mit seinen drei Knochen und Iliosakralgelenken bildet das stabile Fundament für die Wirbelsäule und ist entscheidend für das Aufgerichtet Sein mitbeteiligt. Das Becken beherbergt die Beckenorgane. In der chinesischen Medizin werden diesen nicht nur die organischen Eigenschaften wie Ausscheidung, Fortpflanzung und Stresshormonproduktion zugesprochen. Viel mehr bilden sie auch der Sitz der eigenen Bedürfnisse, Umgang mit Druck und Angst, die Fähigkeit, Dinge loszulassen und sich abzugrenzen, Zurückhaltung und vieles mehr.

Ist das Becken beweglich, werden auch diese Funktionen optimal mit Energie versorgt und wir verfügen über eine Resilienz, die uns stabil und belastbar macht.

 

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