Segmentanatomie und Akupunktur Massage nach Radloff® (3)

Der dritte Teil dieser Serie wendet sich den Enterotomen und deren Projektionen zu. Enterotome sind die Einflussgebiete eines Spinalnervs auf die versorgten Eingeweide. Der Nutzen für die APM nach Radloff liegt darin, die äusseren Zeichen von organischen Störungen lesen und interpretieren zu können.

Zur Erinnerung hier nochmals einen Überblick über die verschiedenen Segmentanteile:

Bausteine eines Segments

  • Hautareal - Dermatom
  • Muskelabschnitt - Myotom
  • Skelett - Sklerotom
  • Eingeweide - Enterotom oder Viszerotom
  • Nerven - Neurotom

Alle diese ‚Tome‘ stehen miteinander in neuraler Verbindung. Das bedeutet, dass jedes Versorgungsgebiet auf Reize, eines am selben Nerv angeschlossenen Gebietes, im Sinne eines Reflexes reagiert und bei jedem Erregungszustand beteiligt ist.

Die Enterotome

Organe haben eine sympathische und eine parasympathische Versorgung. (Siehe ECM 12/1.) Die vegetativen Verbindungen definieren das innere Organ im Bezug zum Rückenmark und zur spinalen Peripherie (Wancura). Durch ihre sensible Innervation erhalten sie Anschluss an die segmentale Ordnung des Körpers.

Zu erwähnen ist, dass die parasympathischen Fasern der inneren Organe zu einem Teil auch im N. phrenicus laufen, was einen Bezug zu C4/C5 ergibt!

Die nachfolgende Liste zeigt die sympathischen Versorgungsgebiete der einzelnen Organe.

Spinaler Ursprung präganglionärer Axone zu den Organen nach Dicke, Ilse Schuh und Foerster.

Projektionsschmerz

Jede Erkrankung eines inneren Organs äussert sich über segmentale Verbindungen an der Oberfläche (Dermatom, Myotom). Diese Zeichen treten immer segment- und seitenspezifisch auf und verlaufen synchron mit den Veränderungen im Körperinneren.

Werden segmentale Äusserungen interpretiert und mit dem energetischen Verständnis der APM nach Radloff in Verbindung gebracht, lassen sich differenzierte Aussagen zu den betroffenen Organen ableiten. Dies sowohl im energetischen, wie auch im pathomorphologischen Sinne.

Entsprechend der sensiblen Versorgung durch Sympathikus, Vagus, Phrenicus und die Pelvici treten hyperalgetische Zonen in den entsprechenden Bereichen auf.

Gebiete der Schmerzreaktion an der Oberfläche

Befunderhebung

Auf der Höhe der Innervation zeigt sich das erkrankte Organ direkt im selben Dermatom. Mit Vorteil tasten wir die Dermatome am Rücken. Eine erkrankte Leber zeigt sich beispielsweise auf der rechten Körperseite im Dermatom T8 – T111.

Durch die Überlagerungen der einzelnen Segmente mit verschiedenen Strukturen, bestehen verschiedene Zuordnungsmöglichkeiten. Das Segment T8 z.B. hat Verbindung zu Magen, Duodenum Pankreas, Milz, Gallenblase und Leber. Mit Hilfe der Alarmpunkte kann noch genauer differenziert werden welches Organ tatsächlich gestört ist.

Grob kann man sagen, Thorax- und Oberbauchorgane zeigen sich im oberen Körperbereich durch ihre Verbindung mit dem Plexus brachialis (C5-T1) und dem N. Phrenicus. Die Unterbauchorgane hingegen im unteren Körperbereich, durch ihre Verbindung mit dem Plexus lumbosacralis (T12-S5) und den N. Pelvici.

Die Head-Zonen

Als Head-Zonen werden die Hautversorgungsareale spinaler Segmente bezeichnet, die bei Veränderungen an einem Organ, bedingt durch einen viszero-kutanen Reflex, Hyperästhesie oder Hyperalgesie aufweisen können.

Head Zonen treten nur an den ventro-lateralen Ramis auf. Zusammen mit den Alarmpunkten und den Conchazonen können wir differenziertere Aussagen bezüglich des energetischen Zustandes des Organes machen.

Head-Zonen und Alarmpunkte

Der Vergleich mit den Alarmpunkten kann teilweise verwirrend sein. Für die Differentialdiagnose jedoch, bieten sich verschiedene Möglichkeiten zur Auffindung des Verursacherorgans im schulmedizinischen Sinn.

Der Alarmpunkt des Kreislaufes hat, gemäss APM-Theorie, einen engen Bezug zum Herzen. Gemäss den Headschen-Zonen jedoch entspricht dieser Bereich der Speiseröhre. Es muss also nicht immer an eine Herzerkrankung gedacht werden, wenn ein Kreislauf Alarmpunkt stark empfindlich ist.

Beispiel

Bei einem Klienten mit rechtsseitigen Schulterschmerzen finden sich bei der Konsultation von Alarmpunkten verschiedene sensible Punkte. Aufgrund der schmerzempfindlichen Head-Zone der Leber, können wir von einer Störung in diesem Organ ausgehen. Mit Hilfe der Concha-Zonen kann so der energetische Zustand der Leber definiert und die entsprechende Behandlung geplant werden.

Behandlung

Da die Projektionsphänomene (Krankheitszeichen) synchron mit den Veränderungen im Körperinneren verlaufen, kann der entsprechende Reiz definiert werden. z.B. eine Vasokonstriktion im Organ führt zu einer Vasokonstriktion im Dermatom /Myotom.

Wärme oder Kälteapplikationen können so gezielter angewendet werden.

Wichtig: Die Behandlung der Dermatome und/oder Myotome muss entsprechend des energetischen Zustandes des angeschlossenen Organes erfolgen!

‚Leere-Zustand‘ des Verursacherorganes

Die Behandlung von Organen über segmentale Reize macht nur bei internistischen Störungen aufgrund von Leeren Sinn! Ausnahme: Auspumpen.

Behandlung über das Myotom

Auch wenn im energetischen Verständnis am Ort der Reizsetzung keine energetische Leere besteht sind myofasciale Reizsetzungen, Dehnreize (Stretching, PNF...) und klassische Massagereize, bei denen die Muskelfascien gedehnt werden, indiziert.

Achtung: Wenn am Ort der Reizsetzung eine energetische Fülle besteht, ist eine Behandlung an dieser Stelle nicht angezeigt!

Behandlung über das Dermatom

Bindegewebsmassage, Moxa, Massagereize, Schröpfen, Gua Sha. Alle das Dermatom reizenden Massnahmen sind indiziert. Das gesamte Dermatom kann z.B. mit Moxa behandelt werden und nicht nur der z.B. zugehörige Zustimmungspunkt.

‚Fülle-Zustand‘ des Verursacherorganes

Im Falle eines energetisch vollen Organes, darf an der Oberfläche nur sedierend behandelt werden. Die Technik des Auspumpens ist das Mittel der Wahl.

Auch mit Kältereizen kann behandelt werden! Kurz-Zeit-Eis auf das betroffene Gebiet bringt sofortige Entlastung.

Verlaufskontrolle mit Hilfe der Segmentanatomie

Durch den energetischen Ausgleich eines gestörten Organes verändern sich das angeschlossene Dermatom, das Myotom und das Sklerotom sofort. Dadurch eignen sich diese Zonen auch als Beobachtungsparameter für die Verlaufskontrolle. Ständige Wirkungsbeobachtung der gesetzten Reize hilft Zusammenhänge zu verstehen und eine Behandlung zielgerichtet aufzubauen.

Ich bitte Euch, liebe APM-Therapeuten nach Radloff, die energetische Arbeit nicht zu vergessen! Doch schulmedizinische Grundlagen müssen sinnvoll und ergänzend in unsere Arbeit einbezogen werden. Diese Thematik ist für die Befunderhebung und Interpretation von energetischen Befunden eine wirkliche Bereicherung.

In diesem Sinne wünsche ich euch viel Erfolg in der Arbeit mit der Akupunktur Massage nach Radloff®.

Peter Jeker

 

Literaturverzeichnis

Ingrid Wancura-Kampik: Segment-Anatomie

Ilse Schuh: Bindegewebsmassage

Werner Platzer: Taschenatlas der Anatomie, Bewegungsapparat

Werner Platzer: Taschenatlas der Anatomie, Nervensystem und Sinnesorgane

Werner Platzer: Taschenatlas der Anatomie, Innere Organe

Frank H.Netter: Atlas der Anatomie des Menschen

Jeno Barcsay: Anatomie für Künstler

 


1Nach O.Foerster. E.Dicke sieht die Innervation der Leber bei T5-T9.