Autoren: Sandra Wurz, Peter Jeker

APM Radloff - eine komplementäre Behandlungsmöglichkeit für den angeborenen muskulären Schiefhals bei Kleinkindern

In diesem Artikel möchten wir mögliche Ursachen und Behandlungsansätze aufzeigen für die Torticollis muscularis congenitus aus Sicht der Akupunktur Massage nach Radloff. Bei richtiger Behandlung genügen oft 3-4 Sitzungen, um Verdrehungen des Halses und auch der gesamten Wirbelsäule nachhaltig positiv zu verändern.

Die häufigste Form eines Schiefhalses bei Kleinkindern ist die Torticollis muscularis congenitus. Bei diesem Krankheitsbild zeigt sich der M. sternocleidomastoideus in einer einseitigen Verkürzung. Können knöcherne Fehlbildungen der betroffenen Strukturen, raumfordernde Geschehen und cerebrale Fehlsteuerungen ausgeschlossen werden, liegt eine andere Ursache vor. Die verschiedenen Möglichkeiten aus unserer Sicht stellen wir nachfolgend vor.

Die Torticollis im Verständnis des Konzeptes Radloff

Wir vertreten folgende These:

Ein Muskel hat aus sich heraus keinen Grund, sich zu verkürzen oder zu fibrosieren. Auch nach einer für Kind und Mutter anstrengenden Geburt, müsste sich die physiologische Länge des Muskels selbständig herstellen. So wie sich nach einem einseitigen Armtraining im späteren Leben die physiologische Länge des trainierten Muskels wieder einstellt.

Leidet ein Säugling nach der Geburt an einer Verkürzung des M. sternocleidomastoideus mit der daraus resultierenden Torticollis muscularis congenitus, müssen die Gründe für diese persistierende Verkürzung gefunden und behandelt werden.  Dies, um den Säugling vor eventuell unnötigen Therapieserien oder gar Botulinustoxininjektionen zu bewahren.

Gründe für eine persistierende Torticollis aus unserer Sicht

Können die oben erwähnten knöchernen oder Tumorgeschehen ausgeschlossen werden, definieren wir folgende zwei Hauptursachen.

  • Statische Ursachen
  • Organische Ursachen

1. Statische Ursachen

Im Konzept Radloff werden die Becken- und Wirbelgelenke als funktionelle Einheit betrachtet. Ein blockierter oder verdrehter Halswirbel kann Einfluss auf die gesamten Strukturen der Wirbelsäule und des Beckens ausüben.

Umgekehrt können Verschiebungen der Beckenknochen während des Geburtsvorganges eine persistierende Verdrehung des Beckens des Säuglings zur Folge haben, was reaktiv einen Halswirbel in einer schiefen Position blockiert.

Die Wirbelsäule kompensiert Verdrehungen immer reflektorisch mit einer Gegendrehung. In vorliegender Abbildung 1 besteht eine Rechtsrotation des Atlas aufgrund des kontrahierten M. sternocleidomastoideus rechts. Dadurch dreht mindestens ein Wirbel in die Gegenrichtung und das Becken seinerseits nimmt dieselbe Rotationsrichtung wie der Nacken ein, hier auch eine Rechtsrotation.

Dieselbe reflektorische Kettenreaktion zeigt sich auch bei einem ursächlich verdrehten Becken.

Wenn das Becken aufgrund des Geburtsvorganges in sich verdreht ist, verkürzen bestimmte Muskelgruppen, der Bein- und der Rumpfmuskulatur. Nun korrigiert der Körper von caudal nach cranial. Die Wirbelsäule steuert in sich gegen. Der Atlas als Gegenpol und somit der Kopf nimmt die Rotationsrichtung des Beckens auf. Dies kann dann zu einer geringfügigen Schiefhaltung des Kopfes führen oder in gravierenderen Fällen zu einem Schiefhals.

2. Organische Ursachen

Im Konzept Radloff suchen wir nach Störungen in Organen. Diese können aufgrund von Pathologien entstehen, oder bei Säuglingen häufiger durch eine gestörte Energetik. Als Begründung dafür folgender Ansatz:

Der Viszerale Reflexbogen

Im Sinne des viszeralen Reflexbogens kann sich der M. sternocleidomastoideus als Folge einer organischen Störung verkürzen. Diese Störung ist oft nicht pathologischer Art. Jedes Organ, zum Beispiel ein überlasteter Magen des Säuglings, kann reflektorisch die muskuläre Spannung begründen oder zumindest aufrechterhalten.

Die spinalnervliche Versorgung der Organe

In der Abbildung 3 sind die direkten Beziehungen der Spinalnerven sympathisch und parasympathisch aufgezeigt. Die Zusammenhänge sind aufgrund der Plexus- und Ganglionverbindungen komplexer, sollen hier für dieses Beispiel vereinfacht dargestellt werden.

Um bei dem Beispiel des überlasteten Magens zu bleiben, folgendes Erklärungsmodell:

Der Magen wird sympathisch auf Höhe Th6 - Th8 innerviert. Dadurch hat er direkten Einfluss auf die Muskulatur, die Haut und die Knochen dieses Segments. Dadurch können hyper- oder hypotonische Spannungsveränderungen der Muskulatur in der Mitte der Brustwirbelsäule entstehen. Dies können einen einzelnen Wirbel oder sogar mehrere Wirbel nacheinander verdrehen. Dies erklärt die Entstehung einer Skoliose durch die muskulären Spannungen.

Parasympathisch wird der Magen durch den N. vagus und den N. phrenicus versorgt. Aus diesem Grund kann eine verdrehte Halswirbelsäule einerseits negativ auf die angeschlossenen Organe einwirken und andererseits kann über diese Verbindung ein überreiztes Organ die Hals- und Nackenmuskulatur negativ beeinflussen. Dies wiederum in Form einer hyper- oder hypotonischen Veränderung.

Der bei dem angeborenen muskulären Schiefhals betroffene M. sternocleidomastoideus, wird von Spinalnerven der Höhe C1 - C3/4 innerviert wird. Wie in der Abbildung 3 ersichtlich steht dieser Bereich im Einfluss verschiedenster Organe.

Behandlungsansätze

Aus dem oben Angefügten ergeben sich zwei grundlegende Ansätze zu Behandlung.

  • Behandlung der statischen Blockaden
  • Behandlung organischer Störungen

1.      Behandlung der statischen Blockaden

Aufgrund der reflektorischen Zusammenhänge innerhalb der funktionellen Einheit Wirbelsäule macht es wenig Sinn, allein die muskuloskelettale Problematik im Nackenbereich zu lösen.  Vielmehr muss zwingend die gesamte funktionelle Einheit überprüft werden.  Das heisst konkret, die blockierten Beckengelenke werden gelöst und mobilisiert, die verdrehten Wirbel, inklusive dem Atlas, werden auf Fehlstellungen kontrolliert und mobilisiert. Wenn die Ursache für die Torticollis in der statischen Funktionsstörung begründet ist, wird sich der Schiefhals, und die gesamte Wirbelsäule entspannen. Das Ziel der langfristigen Beschwerdefreiheit wird meist allerdings erst dann erreicht, wenn die zweite Ursache, die organische Störung, integriert wird.

2.      Behandlung der organischen Störungen

Die Organe werden einzeln getestet und entsprechend ihrem energetischen Zustand behandelt. Funktioniert der Ausgleich dieser meist energetischen Störung, entspannen sich im Zusammenhang stehende Muskeln spontan.

Wird ein Organ durch einen fehlgestellten Wirbel über den spinalnervlichen Reflexbogen gereizt, wird hier die Entlastung nicht genügend gelingen. In diesem Fall muss zusätzlich zur energetischen Behandlung der entsprechende Wirbel mobilisiert werden, also statisch gearbeitet werden.

In der Praxis macht es aus den angeführten Gründen keinen Sinn, diese zwei Komponenten isoliert zu behandeln.

Das isolierte Aufdehnen des Muskels oder das Mobilisieren der Becken- und Wirbelgelenke kann nur eine kurzfristige Entlastung bewirken. Vielmehr geht es darum, dass die Spannung verursachende oder aufrechterhaltende Organ zu eruieren. Das entsprechende Organ des Säuglings wird dann in Kombination mit den statischen Techniken entlastet.

In der APM Radloff versuchen wir diese Zusammenhänge zu erkennen und diese entsprechend des energetischen Zustandes zu behandeln, um dadurch ein nachhaltiges Therapieziel zu erreichen.

Die komplementärtherapeutische Methode APM-Therapie nach Radloff

Im Zentrum steht der Mensch in seiner gesamten Individualität. Das Konzept Radloff verbindet Heilkunst aus der Chinesischen Medizin mit praktischen Griffen aus der Physiotherapie. Ziel ist der Ausgleich von Dysbalancen auf struktureller, energetischer oder emotionaler Ebene. Dies geschieht über die Behandlung der Meridiane, der Becken-, Wirbel- und Extremitätengelenke und der Organe. Faszien und Muskulatur sind selbstverständlich integriert. Zielgruppe sind Menschen jedes Alters.

Die für jeden Säugling individuell erkannten Dysbalancen können durch gezielte Hilfestellungen und Massnahmen von Seiten der Eltern im Alltag unterstützt werden. Es ginge in diesem Artikel aber zu weit, diese hier aufzulisten. Zumal jede schematische Behandlung wie auch Beratung sich kontraproduktiv für das Wohlbefinden des Säuglings und damit der gesamten Familie auswirken kann.

Sollten bei Ihnen durch diesen Artikel weitere Fragen, auch zu anderen Beschwerdebildern bei Säuglingen oder zur Therapieform und -Ausbildung auftauchen, melden sie sich sehr gerne im Kompetenzzentrum der APM Radloff in Schönenwerd.

 

Literaturnachweise

Grundlagen der Akupunktur Massage, Klaus Radloff, Lehrinstitut Radloff 2000

Die Becken -Wirbelsäulen- und Gelenksbehandlung, Klaus Radloff, Lehrinstitut Radloff 1998

Die Chinesische Medizin kennt keine orthopädischen Krankheiten, Klaus Radloff, BoD 2016

Segmentanatomie, Ingrid Wancura-Kampik, Elsevier 2009