HWS-Distorsion

Als Schleudertrauma (HWS-Distorsion) bezeichnet man eine, häufig durch einen Auffahrunfall hervorgerufene, Weichteilverletzung im Bereich der Halswirbelsäule (HWS).  Durch die Kräfte, die dabei auf die Wirbelsäule einwirken, kommt es zur Distorsion. In bildgebenden Verfahren können kleine Läsionen nicht gesehen werden. Als Beschwerden bleiben oft starke Verspannungen im Schulter- und Nackenbereich, Bewegungseinschränkungen oder Schmerzen bei Bewegungen mit dem Kopf.

In der Regel entsteht eine Überreizung des Nervus Phrenicus, der die Halswirbelsäule im Bereich C4-C5 verlässt. Dadurch können muskuläre aber auch internistische Probleme - z.B. eine Magenschleimhautentzündung - auftreten. Andererseits können bestehende internistische Probleme den Heilungsverlauf blockieren. Diese und andere Ursachen gilt es in der Behandlung zu eruieren. 

Psychosomatik des Schleudertraumas

Natürlich besteht, wie bei jedem Krankheitsbild, eine psychosomatische Komponente. Allerdings sind wir der Meinung, dass diese selten ursächlich für das Bestehen der Beschwerden sind.

Vielmehr werden Zusammenhänge von internistischen Störungen im Oberbauchbereich - ev. erst durch Medikamentenunverträglichkeit - hervorgerufen und deren Auswirkungen auf die Halswirbelsäule über den Nervus Phrenicus nicht oder ungenügend beachtet.

Die Akupunktur Massage nach Radloff hat durch ihre differenzierte und individuelle Befunderhebung und Behandlung sehr gute Erfolge in der Behandlung der HWS-Distorsion.

Ein Fallbeispiel

Behandlung einer Schleudertraumaklientin

Sie ist eine junge, sportliche Frau, die im Labor einer Universität arbeitet und sich vor 6 Monaten bei einem Auffahrunfall auf dem Beifahrersitz ein Schleudertrauma zugezogen hat. Seither begleiten sie Kopfschmerzen, die sie auf der subjektiven VAS-Skala auf 5/10 einstuft (0/10 =  kein Schmerz bis 10/10 = stärkster Schmerz). Sie kann sich schlecht konzentrieren und leidet darunter, dass einige Arbeitskollegen, Freunde und Ärzte finden, dass unterdessen genug Zeit verstrichen sei, und sie nicht mehr so steif durch den Alltag gehen sollte.

Der Befund

Kopfschmerzen, die bei der sitzenden Tätigkeit stärker werden, starke Nackenverspannungen, die bei jeder Drehbewegung des Kopfes ein starkes Ziehen bis in beide Schultern auslösen und die Kopfschmerzen verstärken, kombiniert mit Schwindel, wenn sie sich am Abend hinlegt, und Appetitlosigkeit - so stellt sich Nina bei mir in der Praxis vor.

Der Befund über die Ohrreflexkontrolle nach Radloff ist nicht überraschend. Die Klientin zeigt eine energetische Fülle im Nacken- und Kopfbereich, wohingegen sich Beine und Bauch in einer Leere befinden. Unsere Klienten staunen regelmässig bei den ersten Behandlungen, wenn wir in den meisten Fällen nicht am Schmerzort mit der Therapie beginnen. Damit wir die Wirkung der Behandlung beurteilen können, messen wir die eingeschränkte aktive Drehbewegung der Halswirbelsäule, die in beiden Drehrichtungen des Kopfes eine starke Spannung im Musculus trapezius descendens auslöst.

 

Erstbehandlung

Während dem ich die Meridiane der Beine behandle, erkläre ich ihr das Konzept der Flussbedingungen und die Unterscheidung in Leere- und Füllezustände im Körper: Bei  einem Auffahrunfall wird der beschleunigte Körper abrupt abgebremst. Der Kopf wird vor und zurück geschleudert, wobei die Halswirbelsäule starken Kräften ausgesetzt wird. Dies erzeugt lokal eine Reizung, wobei auch strukturelle Verletzungen entstehen können. Energetisch gesehen, sprechen wir von einem lokalen Füllezustand. Es geht nun darum, diese Fülle im Nacken abzuleiten und wieder energetische Flussbedingungen zu schaffen und herauszufinden, weshalb sich die Beschwerden nach einem halben Jahr noch nicht abbauen konnten.

Nach der energetischen Grundbehandlung, bei der ich die Meridiane an Gesäss, Beinen und Bauch behandelt habe, lässt bei der Klientin der Druck im Kopf nach und die Rotation der Halswirbelsäule geht deutlich weiter und mit weniger Spannung in beide Richtungen.

Ich arbeite an der Statik, das heisst den Becken- und Wirbelgelenken, weiter. Das Becken der Klientin befindet sich in verdrehter Stellung. Die Mobilisation der Iliosakralgelenke nimmt einige Zeit in Anspruch. Danach lässt sich auch die Wirbelsäule sanft und schmerzfrei behandeln. Nina berichtet nach der Erstbehandlung von einer erstaunlichen Leichtigkeit im Kopf und die Drehung der Halswirbelsäule gelingt ihr ganz gut. Momentan hat sie keine Schmerzen im Kopf (VAS 0/10).

Da die Halswirbelsäule in einer Fülle war, ist es wichtig, diese Überreizung abzubauen und keine zusätzliche Energie an den sowieso überreizten Ort zu bringen. Also keine Massagereize im Nacken, keine Wärme, keine erhitzenden Crèmes. Lokales Kühlen am Schmerzort in Intervallen baut die Überreizung im Nacken ab. Nina verspricht mir, diese Massnahme bis zu unserer nächsten Behandlung in 4 Tagen jeweils als erstes anzuwenden, falls die Schmerzen oder Verspannungen in Nacken und Kopf auftreten.

 

Folgebehandlung

Die zweite Behandlung verläuft ähnlich. Nina hat in den vorangehenden Tagen wiederholt den Nacken gekühlt, wenn während der Arbeit der Kopfschmerz wieder zunahm. Die Nackenmuskulatur ist immer noch stark gespannt, die Drehung des Kopfs löst wieder schmerzhafte Verspannung im Nacken aus. Der abendliche Schwindel ist nicht mehr aufgetreten, dafür hat Nina starken Durst verspürt und Durchfall gehabt. Der Kopfschmerz sitzt noch hauptsächlich am Hinterkopf, VAS 3/10.

Wieder behandle ich die Meridiane aufgrund des Ohrbefunds. Die Becken- und Wirbelsäulenbehandlung ist weniger aufwändig und Nina reagiert entspannt und mit einer deutlichen Schmerzreduktion im Kopf und verlässt die Praxis eine Stunde später zuversichtlich.

 

Weiteres Vorgehen

In den folgenden Behandlungen rückt die Verdauung in den thematischen Vordergrund. Nina fühlt sich oft gebläht, verspürt nach dem Essen jeweils leichte Übelkeit und berichtet von einem ständigen Völlegefühl nach dem Essen. Diese Beschwerden begleiten die Klientin schon seit einigen Jahren, sie haben sich seit dem Autounfall zusätzlich verstärkt. Internistisch wurde eine Darmspiegelung durchgeführt, die ohne Befund blieb.

In der APM nach Radloff erfassen wir den Menschen ganzheitlich. Nach den ersten drei Behandlungen geht es darum, die Klientin gezielt zu stärken, um die Beschwerdefreiheit zu stabilisieren. Wir arbeiten über Akupunkturpunkte, die mit Wärme und Druck behandelt werden, -Nadeln verwenden wir bekanntlich nicht- über ganze Meridiane und Segmente. Zusätzlich empfehle ich ihr einige Anpassungen in ihrer Ernährung.

 

Abschluss

Nach sieben Sitzungen schliessen wir die Behandlung ab. Nina geht wieder joggen, hat keine Kopfschmerzen mehr. Auch ihre Essgewohnheiten hat sie angepasst. Früher hat sie in einer kurzen Mittagspause ein Salat gegessen, und dann am Abend die Hauptmahlzeit eingenommen, was für ihre Verdauung eine Überforderung darstellte. Sie isst nun Frühstück, meistens warm. Das ist eine der Strategien, wie sie sich gesund halten kann und sie versucht, entstehende Symptome als Sprache des Körpers zu verstehen und darauf zu reagieren, anstatt sie mit Schmerzmitteln zu bekämpfen.

Ein Behandlungsbericht von Claudia Maurer